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Weltgebetsoktav
Adrienne von Speyr
Original title
Weltgebetsoktav
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Specifications
Language:
German
Original language:
GermanPublisher:
Saint John PublicationsYear:
2023Type:
Article
Der Schöpfungsbericht erzählt, wie Gott der Vater innerhalb von sieben Tagen das Weltall erschafft, und der Geist schwebt über den Wassern. Durch diese Schöpfung ist die Welt eine Einheit: sie geht vom einen Standort Gottes aus und wird aus seiner einen Hand. Aus dem Bericht allein könnte man sich noch kein Bild von der Ausdehnung und dem Gehalt dieser Welt im einzelnen machen; alles ist so erzählt, daß der Akt des Schaffens und die auf Grund des Geschaffenwerdens sich ergebende und verbleibende Einheit sichtbar wird. Die Welt behält ihren Zusammenhang mit Gott, der zum ersten Menschen spricht und ihm die Herrschaft über die Dinge läßt. Der Kosmos, seine Pflanzen und seine Tiere sind den Menschen unterstellt; sie sind es durch Gottes Wort und so ist es die Ordnung. Der Mensch ist Gott unterstellt in einer klaren, eindeutigen Linie des Gehorsams. Aber wie alle Dinge vom Vater stammen, so sind alle auf den Sohn hin geschaffen. Diese Linie zum Sohn hin stellt keinen Gegensatz dar zur Linie von Adam zum Vater und von den Dingen zum Menschen, alle Linien bilden zusammen eine vollkommene Einheit, alle passen sich ein in die von Gott Vater, Sohn und Geist geplante und verwirklichte Einheit.
Da der Sohn auf Erden erscheint, stellt er eine neue Ordnung auf. Der Mensch hatte sich von Gott abgewendet, in der ganzen Welt herrschte Unordnung, und die Einheit war überall zerstört worden. Er schafft neue Einheit in sich selbst, in seinem Leib, in seinem Sterben und Auferstehen. Und auf daß der Mensch die gemeinte Ordnung klarer erkenne, schafft er die Kirche mit ihren Gesetzen, aber auch – und das vor allem – als Ausdruck seiner Liebe, als eine klar ersichtliche Einheit, die in ihr walten wird, in ihrem dem Sohne untergeordneten Leben. Denn die Kirche ist seine Braut und zwischen ihm und ihr herrscht ein lebendiger Kontakt, ein reiner Austausch göttlicher und kirchlicher Liebe, ein ewiges Zueinanderfinden.
Aber auch im Neuen Bund kommt es zu einem Versuch der Abwendung: von der Kirche, vom Herrn weg, in der mannigfaltigsten Art. Bleibt auch die Kirche in ihrer Substanz vollkommen unangetastet, verharrt auch der Herr unverändert in seiner Herrlichkeit, so wächst doch die Unordnung auf der Welt. Und die Kirche in ihrer Unberührtheit und der in ihr waltenden Einheit muß den Versuch wagen, neu heimzuholen, was der Herr ihr anvertraut hat: die ganze Welt. Die Welt nicht mehr in der Phase der Schöpfung, sondern in der Phase der Erlösung. Eine Welt, die durch das Leiden des Herrn, aber auch durch sein Gebet und durch das der Kirche mitgeteilte und von ihr verwaltete Gebet in die Einheit zurückgerufen wird. Dieser Rückruf ist keine theoretische Sache; er wird praktisch erlebt, und jedes Gebet eines Glaubenden ruft tätig und wirksam zur Einheit zurück, sucht den Willen des Vaters, ordnet sich unter den Wünschen des Sohnes und erblickt diese Wünsche im Innern der Kirche.
Da aber der Mensch rasch erlahmt und in seinem Gebet unsicher wird, indem er zwar Worte ausspricht, sie aber oft genug inhaltslos an sich vorbeifließen läßt, mahnt die Kirche zu erneutem Gebet und setzt die Zeit, die der Vater zur Schöpfung verwendete, eine Woche mitsamt seinem göttlichen Ruhetag, für die Rückholung der ungläubigen, abgesplitterten Welt an. Während dieser Woche ist es Pflicht eines jeden Christen, für die Einheit zu beten. Er kann, bevor er anfängt, sich im Geiste die Zersplitterung der Welt vergegenwärtigen: sich die Weltkugel vorstellen mit den unzähligen Orten, die noch gar nicht oder schlecht missioniert sind, mit den ausgedehnten Gebieten, die von der Kirche abgefallen sind, und überall das Durchsickern des Unglaubens mitten im Glauben betrachten, und er kann sich sogar in die Kirche hinein wagen und sich die Gläubigen ansehn: wieviele von ihnen leer beten und von der Einheit nichts mehr wissen und ihren Beruf vergessen haben. Angesichts dieses Bildes wird er anfangen zu beten. Von außen nach innen oder von innen nach außen. Die neue Einheit aber ist weder etwas Abstraktes (eine bloße Gesinnungsseinheit) oder etwas bloß Zahlenmäßiges (eine Anzahl von Gebäuden oder Gemeinden); sie lebt, sie ist die Einheit des Sohnes mit seiner Braut, nachgebildet der Einheit des dreieinigen Gottes. Darin ist Raum für einen jeden Menschen mit seiner Eigenart, seiner Freiheit, seiner Begabung, Raum, an welchem jedem Menschen Verzeihung und neues Leben verheißen ist. Raum aber auch, an dem jedem Menschen die Verpflichtung zum Gebet erwächst. Diese Pflicht hat zum Kern die Freude, denn sie ist wirksam; und vielleicht gerade in der Weltgebetsoktav fühlt jeder Beter, wie sehr das Gebet zum Schatz der Kirche gehört, und daß Gott es verwendet, wo es ihm gefällt, und daß die erwähnten Ungläubigen und die Landstriche, die nichts von Gott gehört haben, dennoch von Gott einbezogen werden, und daß vielleicht gerade jetzt Heiden, Juden, Sektierer neu zum Glauben erweckt werden. Heute durch heutiges Gebet, oder auch morgen oder in ferner Zukunft durch dieses gleiche heutige Gebet.
Und jede Form des Betens ist Gott genehm, sofern es ein rechtes Gebet ist. Gott kann jedes Gebet in die Einheit hinein verwirklichen, er leiht sein Ohr dem alltäglichen Vaterunser und Gegrüßt seist Du Maria, wie jedem, worin ein Glaubender auszudrücken und zu umfassen versucht, was alles er heimholen möchte. Die Errichtung einer Gebetswoche hat ihren ersten Grund im hohenpriesterlichen Gebet, wo der Herr von der Einheit redet. Seine Worte haben von ihrem Sinn nichts verloren, die Heimholung ist dringlicher denn je. Und wenn wir ahnen, wie eins in Gott Vater, Sohn und Geist sind, so können wir auch ahnen, wie eins die Welt sein könnte, wenn sie durch das Gebetswort des Sohnes, an dem wir durch unser hinfälliges Beten teilhaben dürfen, zu neuem Leben, neuem Glauben sich bekehren würde. In der Einfachheit gläubigen Gemütes, das die Einheit als das höchste Geschenk empfangen dürfte und durch sie neue Brüder in aller Welt erbitten und erhalten kann, auf daß eins werde die Welt mit der Kirche, wie die Kirche mit dem Sohn eins ist und der Sohn mit dem Vater im Heiligen Geist.
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