Beim vorliegenden Band handelt es sich um ein Gespräch, das Angelo Scola, der spätere Patriarch von Venedig, 1986 mit Hans Urs von Balthasar geführt hat. Im Vorwort führt Balthasar dazu aus: «Von einem guten Freund – und Don Angelo Scola ist ein solcher – interviewt zu werden, ist zugleich Freude und Qual. Freude, unmittelbar sich vom Herzen zu sprechen, was einen im letzten bewegt, Qual, es in einer so kurzen und deshalb notwendig missverständlichen Weise tun zu müssen. Bei jeder Frage möchte man verweilen, nachdenken, nuancieren, möchte alles viel komplexer formulieren, als es im Gesagten erscheint, aber die Zeit drängt, und schon wird man wieder vor ein ganz anderes Problem gestellt. Nun, möglicherweise ergibt sich aus einem solch bunten Mosaik doch unverhofft so etwas wie ein Bild – hoffentlich nicht nur ein subjektives des Redenden, sondern durch die Vielfalt seiner geäußerten Meinungen hindurch ein gewisses objektives Bild von der Kirchenstunde, in der wir stehen. Vieles, was hart scheinen wird, mußte gesagt werden, man verzeihe es mir und schreibe es, wenn man will, meiner Kurzsichtigkeit zu. Oder meinem Alter oder meiner Rückständigkeit, die für Neues und Neuestes keinen Gusto mehr hat. Oder auch meiner Liebe zu einer Kirche, die zweitausend Jahre lang gedauert hat und immer lebendig war, also nicht plötzlich als ‹postkonziliare› Kirche in die Wiege gelegt worden ist. Das könnte der wahre Grund sein, daß einiges hart klingen wird: man mißt es, wenn man ein wenig die Geschichte der apostolischen und heiligen Kirche kennt, an ihrer Größe, und es erscheint dann in einem für die Katholizität allzu dürftigen Format. Man setzt sich mit solchen Urteilen, wie mein verehrter Freund Kardinal Ratzinger, dem Verdikt aus, man sei ‹vorkonziliar› (als ob es so etwas gäbe), man sei pessimistisch (was Ratzinger ganz gewiss nicht ist, er ist nur Realist). Aber auch ich bin alles andere als pessimistisch, denn eine von außen und innen angefochtene Kirche zeigt eben dadurch, daß sie eine für die gottlose Welt unerträgliche Lebendigkeit besitzt, und ich nehme, mitten im Schlachtgewühl der Gegenwart, diese Lebendigkeit, ja dieses heute neu aufsprießende Leben sehr deutlich wahr. An Stellen vielleicht, wo zunächst keiner es vermutet, und wo es sich schließlich so durchsetzt, daß auch eine selbstsichere (und damit leider schon ‹rückständige›) sich als maßgebend gebärdende Mentalität nicht umhin kann, es anzuerkennen. Wobei ihm die amtliche Kirche freilich auch – wo sich, nach Goethes Wort, der junge Most oft absurd gebärdet – eine kirchlich tragbare Form geben muss.

So wäge denn der geneigte Leser, was hier dahergesprochen ist, nicht mit der Goldwaage, er nehme sich vielmehr aus dem ungeordneten Haufen, falls er eines findet, ein Goldkorn heraus.

Er bedenke schließlich, daß die gestellten Fragen aus italienischer Perspektive stammen und die besonderen Interessen der dortigen Kirche widerspiegeln.»

Vorwort von Hans Urs von Balthasar