In diesem Buch soll aus einer Gesamtschau der christlichen Offenbarung heraus von der Tiefe und Herrlichkeit der die Heilige Schrift betrachtenden Gebetsform gehandelt werden, die Freude an ihr erweckt, das Empfinden für ihre Notwendigkeit, ihre Unentbehrlichkeit im Christenleben überhaupt und insbesondere im heutigen gestärkt werden. Wer einmal in den Strahlenbann des göttlichen Wortes eintrat, bleibt darin gefangen; er weiß, weil er es erfahren hat, dass dieses Wort nicht nur eine Kunde über Gott vermittelt, sondern – verborgen im Buchstabengewand – selbst göttliche Eigenschaften besitzt: Gottes Unendlichkeit und Wahrheit, Gottes Majestät und Liebe an sich selbst überwältigend offenbart. Seine Epiphanie zwingt den Hörer auf die Knie. Er meinte mit einem Wort umzugehen, das er, wie andere große und tiefe Worte der Menschheit, erfassen und beurteilen könnte; aber eintretend in seinen Machtkreis ist er selbst der Erfasste und Beurteilte geworden. Er wollte zu Jesus, um ihn zu sehen, («Komm und sieh!») und muss unter dem Blicke Jesu erfahren, dass er längst von ihm gesehen, durchschaut, gerichtet und in Gnade aufgenommen ist, so dass ihm nichts übrigbleibt als niederzufallen und das Wort anzubeten: «Meister, du bist der Sohn Gottes, du bist der König von Israel.» Aber diese Überwältigung wird zum Ausgangspunkt für das, was nun erst wahrhaft beginnt: «Größeres als das wirst du sehen... Von nun an werdet ihr den Himmel offen sehen und die Engel Gottes auf- und nieder steigen sehen über dem Sohn des Menschen» (Joh 1,46-51). Am Wort der Schrift beginnt die Himmelsleiter der Kontemplation, und keine Stufe führt über das Hören des Wortes hinaus. So wenig wir betrachtend die Menschheit des Herrn je hinter uns lassen können, so wenig das menschenförmige Wort. In der Menschheit finden wir Gott, im Sinnenhaften den Geist.

Aus dem Vorwort

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«Das betrachtende Gebet wurde geschrieben aus der Erkenntnis, dass keine Anleitung zu solchem Beten greifbar war, die nicht bloß aszetisch und spirituell, sondern von einer wahrhaft biblischen Fundierung des Aktes des Hörens auf das göttliche Wort ausging. Wieder stehen im Hintergrund Anregungen und Vorbilder der Kirchenväter, aber der unmittelbare Anlass zur Abfassung waren die Schriftkommentare Adriennes, die als Ganzes nichts anderes waren als ein – freilich einzigartig geschenktes – Hörenkönnen und sowohl eingegebenes wie selbstgeleistetes Betrachten des Wortes Gottes Alten wie Neuen Bundes. Was hier gleichsam urbildlich vorgelebt wurde, musste grundsätzlich im bescheidenen Rahmen des Gebets jedes Christen und vorab der Johannesgemeinschaft nachbildbar sein».

Aus: Unser Auftrag, 101